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Schnelle Autos und Puccini: 3 Fragen an Marianne Schuler

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Getümmel vor ihrem Zimmer. Immer will jemand was von Marianne. Ich stelle mich an. Sie zwinkert mir zu, ja gleich, ja, sie weiß. Als der letzte Kollege aus dem Zimmer bugsiert ist, kommt prompt ein dringender Anruf. „Bleib hier!“ – ich mach schon mal die Tür zu. Marianne kümmert sich liebevoll um einen Praktikanten in spe, ja, ab Oktober, ja, quartalsweise, ja, wir verlängern auch von drei auf sechs Monate, „das können wir dann erst sagen, weil wir kucken halt, ob das zusammenpasst dann, weißte, deine Vorstellungen und unsere“. Sie lächelt mir zu, während sie geduldig organisatorische Details klärt. Marianne in ihrem Element: „Aus Nuthetal? Das ist ja schon ’ne Anreise. Kriegste das hin, jeden Tag? Okay, ich mach dir dann mal den Vertrag fertig. Und melde dich gern bei mir, wenn du noch Fragen hast. Ja, am 14. um 10 kannste anfangen.“

Und wir dann auch. Und prompt fühlt sich Marianne nicht mehr so pudelwohl: „Oh, nein, so’n Überfall-Interview?! Das ist aber echt nicht mein Ding, Sonja, so erzählen. Ich weiß, die anderen können das alle; ich bin mehr so die Frau im Hintergrund …“

Apropos Hintergrund: An der Wand hinter Mariannes Schreibtisch ist eine eindrucksvolle Phalanx wohl sortierter Ordner zu sehen. Säuberlich beschriftet, farblich codiert, jeder würde sich dort ad hoc zurechtfinden. Davor steht ein imposanter goldener Gästethron für Mariannes Besucher. Wir sitzen jetzt an dem kleinen Konferenztisch in ihrem Zimmer. Mal weg vom schützenden Schreibtisch.

Mir fällt auf, wie wenig ich über Marianne weiß.

1a. Marianne, ich weiß eigentlich gar nichts über dich.

„Also gelernt hab ich Hotelfachfrau, dann meinen Hotelbetriebswirt gemacht. Ich hab in großen Luxushotels gearbeitet. Daher hab ich immer noch ’ne Vorliebe für diese Kästen.“ Sie war am Frankfurter Hof in Frankfurt, in Stuttgart im Hotel am Schlossgarten, an einem großen Haus in Lausanne.

1b. Wie bist du von dort zu den Zahlen gekommen?

„Ich war Direktionsassistentin im Frankfurter Hof, habe mich als Assistentin des Werbeleiters bei der Steigenberger-Hotelkette beworben und bin genommen worden. Das war der Wechsel in die Werbung, also innerhalb der Hotellerie. Und dann hat mich die Liebe nach Berlin geführt.

Hier hatte ich auch schon eine Stelle im Hotel Esplanade – aber der Geschäftsführer einer Druckerei, mit der ich zu tun hatte – Klambt Druck, die auch den Duden drucken – hat für mich eine Anzeige in der W&V geschaltet, ja, echt!!! Mit den Worten ,Sie lasse ich aus der Branche nicht mehr raus‘. Und das war’s dann. So bin ich bei FAB damals gelandet, wo auch Uli Mayer arbeitete. Den Rest kennst du.“

Mit dem „Rest“ meint Marianne MetaDesign und ihre weitere Geschichte mit Uli Mayer-Johanssen, dann Erik Spiekermann, der sie nicht mehr von seiner Seite hat weichen lassen.

Heute ist Marianne die Königin des Office Managements. Dachte ich.

2a. Marianne, was macht eine erstklassige Office Managerin aus?

„Ich bin keine Office Managerin!!!“

Huch.

„Ich bin hier Director Finance und Prokuristin. Aber du hast recht, ich mach natürlich viel mehr. Das ist ja das, was mir an der Arbeit hier gut gefällt – auch das Thema Personal, haste ja mitgekriegt. Ich bin die, die das Geld zusammenhält, die Finanzen. Ich weiß genau, wo wir was haben, und wie viel da ist, da sein muss, für die Steuer in diesem Jahr und so weiter und so fort.

Aber das sind Interna, das geht niemanden etwas an. Das andere kannst du schreiben, das ist ja auch viel wichtiger, für alle Kollegen, dass es hier bei mir nicht nur die Zahlen sind, sondern auch die Personalthemen. Dass die Kollegen Vertrauen zu mir haben, das ist das Wichtigste.

Aber die meisten wissen ja gar nichts über mich. Ich mach ja viel mehr, zum Beispiel als Freundin der italienischen Oper. Die Kollegen kennen sich da ja nicht so aus, also hab ich da was organisiert. Einmal haben wir schon hinter uns“ (lacht).

2b. Marianne, was macht eine erstklassige Finanzchefin aus?

„Das ist echt schwer zu beantworten.“ Wir vertiefen ein paar Dinge. Sie bricht schließlich ab und resümiert: „Also das mit der Oper und so, das kannste schreiben, Sonja – aber das andere nicht. Das sind unsere Interna. Das geht niemanden etwas an. Schreib mal lieber, dass ich gerne schnell Auto fahre, dass ich dafür Intensiv-Trainings gemacht habe, die Oper liebe, mich für Astrologie interessiere, solche Sachen.“ Gern.

Zusatzfrage I: Schnelle Autos?! Intensiv-Trainings?

„Ja, Schleuderkurse beim ADAC. Über Walzen, die dich über Eis schleudern. Ich liiiebe es: schnell Auto fahren, aber das Auto auch beherrschen.“

Zusatzfrage II: Und Oper?! Wie kam das?

„Schlüsselerlebnis war eigentlich, jahrelang nicht in die Oper zu gehen. Nach fünf Stunden Tristan und Isolde, mit 14. Das war’s dann erstmal; da war ich jahrelang für die Oper verbrannt. Dann ging es los mit den Philharmonikern. Und heute mag ich besonders Puccini, Verdi. Ist schön schmalzig. Viel Herz und Schmerz. Eine Lieblingsoper? Nööö …“

Zusatzfrage zu Zusatzfrage II: Marianne, eine Oper für Einsteiger?

„Ja! So ’ne Art Gassenhauer gibt’s ja auch bei den Opern. Also: La Traviata oder Rigoletto, als Einstiegsdroge. Da kennste dann wenigstens ein Stück draus. So hat es bei mir auch angefangen, was im Radio gehört, und dann nachgeforscht, aha, das war das Klavierkonzert Nummer eins von Tschaikowski. So hab ich mich da immer weiter reingefräst.“

Sie überlegt: „Doch. Ich hab ’ne Lieblingsoper. Tannhäuser.“

Sie kichert: „Das finden die Webbies bestimmt alle stinklangweilig, wenn du das so schreibst.“

Egal: „Tannhäuser. Das sind einfach sehr sehr schöne Melodien. Das ist eine der wenigen Wagner-Opern, wo ich mich angenähert habe. Und außerdem habe ich einen Lieblingsbariton… Ich lasse mich oft durch emotionale Sachen zu so was verleiten. Jemanden dessen Stimme ich mag, oder ich höre irgendwann aus einer Sinfonie einen Teil, und dann will ich natürlich die ganze Sinfonie kennenlernen.“

Zusatzfrage III: Ist das mit Menschen auch so?

„Ja. Ja!“ Sehr ernst. „Also ich verlasse mich viel auf meine Intuition.“

3a. Marianne, was ist heute anders als vor 10 Jahren?

„Vor 10 Jahren waren wir eine Bürogemeinschaft, und jeder wusste so gut wie alles über den anderen, zumindest arbeitstechnisch. Aber es war eine gute Keimzelle zum Wachsen. Weil das gute Charaktere waren, die da angefangen haben. Früher habe ich alles selbst gemacht, jetzt habe ich denselben Bereich, aber mit einem Team“ (von insgesamt „mit mir“ sechs Leuten). „Das hat sich alles so ergeben und ist alles miteinander verwoben.“

3b. Und wo siehst du dich in 10 Jahren?

„Hoffentlich im Liegestuhl auf Mallorca!“

Und was machen wir dann?! Marianne lacht. Nein, sie habe nie ernsthaft überlegt, alles hinzuschmeißen, „wenn dann nur im Scherz“ (es gibt sogar ein Foto, auf dem Erik Spiekermann und Rainer Köble vor ihr knien und sie anflehen, nicht zu gehen), aber „ernsthaft den Gedanken hatte ich noch nicht.“

Lieben Dank, Marianne!

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Foto: Robert Stulle, Edenspiekermann